Immunität gegen COVID-19
Immunität gegen COVID-19
Zur Immunitätsbestimmung gegen COVID-19 stehen zur Zeit folgende Verfahren zur Verfügung:
SARS-CoV-2-Antikörper (Anforderung Nr. 2470, GOÄ (1fach): 55,96 EUR):
Anti-SARS-CoV-2-AK der Klassen IgM, IgA und IgG gegen das Spike(S)-Protein und Anti-SARS-CoV-2-IgG gegen das Nucleocapsid(N)-Protein.
Als erste und zweite Linie der Antikörperantwort sind IgM und IgA nach einer Infektion (oder einer Impfung) meist früher nachweisbar als die IgG-Antikörper und deshalb als Ergänzung zum Direktnachweis (PCR) vor allem in der frühen Phase einer Infektion sinnvoll. Die IgG-Antikörper steigen deutlich langsamer an, sind aber nach ca. 3 Wochen auch regelhaft nachweisbar, deshalb ist nach länger zurückliegender Infektion oder nach Impfung auch die alleinige Bestimmung der IgG-AK (s.u.) ausreichend. Die kombinierte Bestimmung von „N“- und „S“-Antikörpern hat bei der IgG-Bestimmung die höchste Sensitivität. Den „S“-Antikörpern wird die wichtigste Rolle zur Verhinderung von (weiteren) SARS-CoV-2-Infektionen zugeschrieben, während das Nucleocapsid-Protein in keinem bisher zugelassenen Impfstoff enthalten ist und die „N“-Antikörper somit eine Unterscheidung zwischen einer natürlichen Infektion und einer Impfung zulassen. Man kann somit auch bei geimpften Personen feststellen, ob zusätzlich auch eine natürliche Infektion, z.B. im Rahmen eines „Impfdurchbruchs“ erfolgt ist.
SARS-CoV-2-IgG (Anforderung Nr. 2473, GOÄ (1fach): 27,98 EUR, EBM: 2x 32641):
Anti-SARS-CoV-2-AK der Klasse IgG gegen das Spike-Protein und das Nucleocapsid-Protein
Diese Untersuchung ist als einzige zur Zeit auch zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen abzurechnen, und zwar ausschließlich im kurativen Fall, wenn COVID-19 klinisch vermutet wird, aber der Direktnachweis mit PCR negativ ausgefallen ist. IgM und IgA sind widersinnigerweise laut KV Bayern nicht abrechenbar und ggf. als Selbstzahlerleistung zu beauftragen.
Untersuchungen, die nicht der zeitnahen Diagnostik einer Infektion dienen, wie z.B. die Feststellung einer zurückliegenden Immunisierung bzw. eines Impftiters, sind grundsätzlich keine Kassenleistungen.
SARS-CoV-2-Anti-S-Antikörper (Anforderung Nr. 2474, GOÄ (1fach): 20,40 EUR):
Anti-SARS-CoV-2-AK der Klasse IgG gegen das Spike-Protein
Falls eine natürliche Infektion ausgeschlossen ist und einzig der Impftiter bestimmt werden soll, ist auch die alleinige Bestimmung der „S“-Antikörper ausreichend.
SARS-CoV-2-Neutralisationstest (Anforderung Nr. 2481, GOÄ (1fach): 34,98 EUR):
Als Ergänzung zum o.g. quantitativen Antikörpernachweis kann mit dem „Surrogat-Neutralisationstest“ bestimmt werden, ob die Antikörper des Patienten prinzipiell in der Lage sind, das Virus am Eindringen in die Körperzellen zu hindern. Hierzu wird geprüft, zu welchem Prozentsatz das Patientenserum die Bindung des Spike-Protein an den ACE-Rezeptor in einem in-vitro-System verhindern kann.
SARS-CoV-2-T-Zell-Immunität (Anforderung Nr. 2710, GOÄ (1fach): 166,10 EUR):
ACHTUNG: Anders als bei den o.g. Antikörperbestimmungen, die aus Blutserum durchgeführt werden können, werden hier Lymphozyten aus dem Blut isoliert und stimuliert. Deshalb benötigen wir hierfür taggleich abgenommenes Lithium-Heparin-Blut (orange Kappe, mindestens 6 ml).
T4- und T8-Zellen des Patienten werden mit spezifischen Epitopen von SARS-CoV-2 stimuliert und im „Interferon-Gamma-Release-Assay (IGRA)“ wird die Ausschüttung von Interferon gemessen. Durch diese Stimulierbarkeit kann ggf. ein vorheriger Kontakt der T-Zellen mit SARS-CoV-2 oder dem Impfstoff nachgewiesen werden. Die T-Zell-Immunität steht in der „zweiten Reihe“ der Immunabwehr. Anders als bei der Antikörperantwort, die im Idealfall bereits ein Eindringen des Virus in die Zelle verhindern kann, dient die Aktivität vor allem der T8-Zellen der Elimination bereits infizierter Körperzellen und somit der effizienten Begrenzung und Ausheilung der Infektion. Die T4-Zellen hingegen „helfen“ als „Signalübermittler“ u.a. auch den B-Zellen bei der Produktion von Antikörpern. Es wurde festgestellt, dass auch T4-Zellen, die durch andere Coronaviren als SARS-CoV-2 stimuliert wurden, diese Funktion bei COVID-19 bzw. der SARS-CoV-2-Impfung übernehmen und die Immunantwort beschleunigen können (https://www.science.org/doi/10.1126/science.abh1823). Es ist jedoch falsch, den Begriff „Kreuzimmunität“ für dieses Phänomen zu verwenden (https://doi.org/10.1038/s41392-020-00338-w) und es wird sogar ausdrücklich davor gewarnt, diese kreuzreaktive T-Zell-Erkennung einer Immunität gleichzusetzen und somit eine Schutzwirkung zu unterstellen (https://www.medizin.uni-tuebingen.de/de/das-klinikum/pressemeldungen/281).
Diagnostische Strategien zur Immunitätsbestimmung
Vorweg ist zu sagen, dass es, anders als z.B. für Hepatitis B oder Röteln, für COVID-19 leider immer noch keine allgemein anerkannten Richtwerte im Sinne eines protektiven Antikörpertiters gibt, bei dem von einem sicheren Schutz vor Infektion bzw. Reinfektion auszugehen ist.
Dies ist wohl auch der entscheidende Grund dafür, dass nach der aktuellen deutschen Rechtslage die Ausstellung von sogenannten "Genesenenzertifikaten" nicht aufgrund von Antikörperbestimmungen möglich ist, sondern immer einen positiven Nukleinsäurennachweis voraussetzt. Ebenso wird der Erfolg einer Impfung ausschließlich über die Einträge im Impfpass dokumentiert. Sich nur auf Impfpässe oder die sogenannten "Genesenenzertifikaten" zu verlassen, kann aber problematisch sein, da in Einzelfällen durchaus eine adäquate Antikörperantwort unterbleiben bzw. bereits vor dem Ablauf von 6 Monaten wieder unter die Nachweisgrenze sinken kann.
Wir empfehlen deshalb, generell nach einer Impfung oder Infektion den Antikörperspiegel zu bestimmen, um die Immunitätslage einschätzen zu können.
Bei Personen mit schwerer Immundefizienz wird auch von der STIKO eine Antikörperbestimmung 4 Wochen nach der 2. Impfung empfohlen, daraufhin eine 3. Impfung als Ergänzung zur Grundimmunisierung und nach weiteren 4 Wochen eine erneute Antikörperbestimmung.
Eine regelhafte Antikörperbestimmung bei allen Impflingen würde es ermöglichen, auch bisher nicht diagnostizierte Personen mit Immundefizienz zu detektieren und diesen eine zeitnahe 3. Impfung anzubieten. Auch Personen mit sehr niedrigem oder stark abgefallenem Antikörpertiter würden aus unserer Sicht von einer Boosterung bereits vor dem Ablauf von 3 Monaten profitieren. Niedrige Antikörperspiegel sind vor allem nach Impfungen mit Vektorimpfstoffen zu beobachten, besonders nach nur einmaliger Impfung. Deshalb wird auch von der STIKO empfohlen, Impfungen mit dem Janssen-Impfstoff bereits nach 4 Wochen zu boostern. Für allen anderen Personen ab 18 Jahren wird eine Boosterung nach 6 Monaten empfohlen. Diese Zeit abzuwarten macht für Personen mit hohem Antikörpertiter Sinn, da davon auszugehen ist, dass die 3.Impfung nachhaltiger wirkt, je später sie erfolgt (Diese Beobachtung hat man auch bei anderen Impfungen wie z.B. Hepatitis gemacht).
Analog wird bei den Personengruppen, bei denen eine 4. Impfung anzuraten ist, auch ein Abstand von 6 Monaten zur 3.Impfung empfohlen.
Höhe der Antikörpertiter
Die für die Immunität relevantesten Antikörper sind die Anti-Spike-IgG-Antikörper. Für diese existiert seit Anfang 2021 auch ein WHO-Referenzserum, an dem die verschiedenen Nachweismethoden kalibiriert und international vergleichbar gemacht werden können. Die Einheit hierzu ist BAU/ml.
Nach milden Infektionen sowie Grundimmunisierungen mit Vektorimpfstoffen findet man meist Titer von wenigen bis mehreren Hundert BAU/ml, bei schweren Infektionen und Grundimmunisierungen mit mRNA-Impfstoffen einige Tausend BAU/ml. Nach Boosterungen findet man oft Titer oberhalb des Messbereichs von > 11360 BAU/ml.
Da für die Bewertung der Antikörperhöhe bisher noch keine Richtlinien existieren, ist es sinnvoll, sich im Moment an der Studienlage zu orientieren. Eine große Studie aus 2021 an geimpftem Personal im Gesundheitswesen (https://doi.org/10.1016/j.jinf.2021.09.013) zeigte, dass Titer unter 141 BAU/ml nur sehr unzureichend vor einer Infektion schützen, bei einem Titer über 141 BAU/ml ist aber von einem 89%igen Schutz auszugehen war und ab einem Titer über 1700 BAU/ml von einem nahezu vollständigen Schutz.
Leider zeigt die SARS-CoV-2-Variante "Omikron" durch Mutationen im Spike-Antigen und damit verbundenen Änderungen in der Antikörperbindung eine deutliche "Immunflucht", d.h. eine verminderte Schutzwirkung durch Antikörper, die durch Impfung oder vorherige Infektionen gebildet worden sind. Eine aktuelle Studie (https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fimmu.2022.907343/full) zeigt aber immer noch eine Korrelation zwischen Antikörperhöhe und Schutzwirkung. Ein S1-Antikörpertiter von über 2800 BAU/ml führt zu einem signifikant geringeren Infektionsrisiko durch Omikron verglichen mit niedrigeren Titern.
Der Wert von 141 BAU/ml korreliert gut mit Vergleichsmessungen, die wir in unserem Labor durchgeführt haben und die zeigen, dass Titer über 100 BAU/ml regelhaft mit einem hohen Prozentsatz im Neutralisationstest einhergehen, während bei Titern unter 100 BAU/ml nur manchmal eine ausreichende neutralisierende Wirkung nachzuweisen ist.
Der Neutralisationstest verwendet leider noch das Spike-Protein des „Original“-SARS-CoV-2. Ein Test mit dem Spike-Protein der Omikron-Variante ist noch nicht kommerziell verfügbar.
Es gibt allerdings bereits noch unveröffentlichte Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass für die Neutralisation von Omikron ca. 40-fach höhere Antikörpermengen nötig sind
(https://www.aerztezeitung.de/Nachrichten/Impfschutz-Gegen-Omikron-braucht-es-deutlich-hoehere-Antikoerperspiegel-425163.html). Hochgerechnet entspräche dies einem Titer von 4000-5600 BAU/ml. Mit einer Boosterung würden diese Titer meist erreicht werden.
Passive Immunisierung
Leider gibt es immundefiziente Patienten, die auch nach der 3. Impfung keine adäquate Antikörperantwort bilden. Man kann mit eher mäßigem Effekt eine 4. Impfung verabreichen (https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2021.36030). Auch kann man den Neutralisationstest durchführen, um zu sehen, ob die wenigen messbaren Antikörper wenigstens funktionell sind. Außerdem kann man die T-Zell-Antwort überprüfen. Eine intakte zelluläre Immunität bei fehlender humoraler Immunität würde zwar eher nicht die Infektion verhindern, aber möglicherweise einen schweren Krankheitsverlauf.
Seit einiger Zeit sind auch Präparate für die passive Immunisierung verfügbar
(https://www.aerzteblatt.de/archiv/222202/Therapie-und-Prophylaxe-Antikoerper-gegen-COVID-19). Diese können für einen begrenzten Zeitraum die körpereigenen Antikörper „ersetzen“ und sind sinnvollerweise nur bei seronegativen Personen anzuwenden, z.B. eben bei Immunspprimierten, die selbst keine Antikörper bilden können. Diese Präparate sind sowohl als Prä- als auch als Postexpositionsprophylaxe anwendbar.
Bei der Postexpositionsprophylaxe muss man auf das begrenzte Zeitfenster achten, das für eine erfolgreiche Anwendung zur Verfügung steht (< 7Tage). Da wir die SARS-CoV-2-Antikörperbestimmung arbeitstäglich durchführen, ist eine rechtzeitige Diagnostik gewährleistet.
Leider ist bei neueren SARS-CoV-2-Varianten im Vergleich zu früheren Varianten die Wirksamkeit der passiven Immunisierung stark eingeschränkt (DOI: doi.org/10.1016/S1473-3099(22)00733-2). Deshalb ist im Zweifelsfall heutzutage die Antikörpergabe zum Zwecke der Postexpositionsprophylaxe bzw. Therapie nicht mehr mehr als alleinige Maßnahme ausreichend. Es sollte unbedingt (auch) eine Medikation mit Virustatika wie z.B. Paxlovid durchgeführt werden.