Weibliche Hormon- und Fertilitätsstörungen

Etwa 35-40% der Fertilitätsstörungen der Frau beruhen auf Fehlfunktionen der endokrinen Regelkreise zwischen Hypothalamus, Hypophyse und Ovarien. Bei der endokrinologischen Erstuntersuchung empfiehlt sich daher als Basisprogramm die Bestimmung von Testosteron, DHEAS, LH, FSH, Östradiol, Prolaktin sowie die Durchführung eines TRH-Tests. Hiermit lassen sich die wichtigsten hormonellen Ursachen der Fertilitätsstörungen unterscheiden und es werden auch komplexe Störungen erfaßt, die aufgrund der Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Hormonsystemen resultieren können. Ein Beispiel stellt die Hyperprolaktinämie dar. Sie kann bedingt sein durch ein Prolaktinom, eine Hypothyreose (infolge TRH-Stimulation der prolaktin-sezerniernden Zellen des HVL) oder durch eine Hyperandrogenämie (infolge
der vermehrten Umwandlung der Androgene in Östrogene, die ihrerseits Prolaktinfreisetzung steigern).

Vor jeder eingehenden Hormondiagnostik ist stets eine Schwangerschaft auszuschließen (HCG-
Bestimmung).
Die wichtigsten Hormone, die die ovarielle Funktion widerspiegeln, sind Östradiol und Progesteron. Progesteron reflektiert die Gelbkörperfunktion und zeigt bei abfallenden postovulatorischen Konzentrationen eine Corpus luteum-Insuffizienz an. Aufgrund des zeitlichen Auftretens läßt sich eine primäre Amenorrhoe (Ausbleiben der Menarche bis zum 16. Lebensjahr) von einer sekundären Amenorrhoe (Ausbleiben der Regelblutung über mindestens 3 Monate) unterscheiden. Durch Bestimmung von LH und FSH ist die ovariell bedingte hypergonadotrope Amenorrhoe (FSH↑, LH↑) von der hyperthalamisch/hypophysär bedingten hypogonadotropen Amenorrhoe (FSH↓, LH↓) abzugrenzen. Erniedrigte Gonadotropine lassen sich mit Hilfe des GnRH-Tests (Gonadotropin-Releasing-Hormon-Test) möglich [25 μg GnRH i.v. (z.B. Serono®, Relefact®, LH-RH Ferring®), Bestimmung von LH und FSH vor und 30 min nach Injektion] weiter abklären. Der Test ist vor allem gut geeignet für die Unterscheidung zwischen konstitutioneller Entwicklungsverzögerung (LH/FSH-Anstieg nachweisbar) und Hypophysenschädigung (kein Anstieg von LH/FSH). Bei fehlendem Anstieg sollte der Test nach einwöchiger pulsatiler GnRH-Gabe wiederholt werden. Bei hypothalamischer Störung zeigt sich dann eine zunehmende Stimulierbarkeit der LH/FSH-Freisetzung.

Hyperandrogenämische Ovarialinsuffizienz. Als einer der häufigsten fertilitätsmindernden Faktoren sollte eine Hyperandrogenämie bei der Abklärung einer gestörten Ovarfunktion ausgeschlossen werden. Erhöhte Androgenspiegel stören die koordinierte GnRH-Freisetzung und verhindern eine normale Follikelreifung. Da keine feste Korrelation zwischen Androgenisierungserscheinungen und Höhe der Androgenspiegel besteht, ist die Bestimmung der Androgene auch dann indiziert, wenn keine Androgenisierungserscheinungen vorliegen.
Zu den wichtigsten Faktoren, die den Androgenhaushalt bestimmen, gehören Testosteron, SHGB (Sexualhormonbindendes Globulin), DHEA und das Sulfatierungsprodukt DHEA-S sowie Androstendion. Testosteron ist in der Hauptmenge an SHGB gebunden. Bei Frauen mit klinischen Zeichen einer Hyperandrogenität werden nicht selten unauffällige Testosteronspiegel gemessen. Häufig finden sich dann erniedrigte SHGB-Konzentrationen, mit der Folge einer erhöhten Konzentration an freiem Testosteron (aus diesem Grunde ist die simultane Messung von Testosteron und SHGB oder die Messung des freien Testosterons empfehlenswert). Bei Hyperandrogenämie liegt häufig ein Syndrom der polyzystischen Ovarien vor (PCO-Syndrom, Stein-Leventhal-Syndrom). Es ist charakterisiert durch polyzystische Ovarien, anovulatorische Zyklen und durch einen erhöhten LH/FSH-Quotienten. Auch Prolaktin, Testosteron und DHEA-S können erhöht sein. Polyzystische Ovarien produzieren oft sehr hohe Konzentrationen von Androstendion. Zusätzlich findet man häufig eine Insulinresistenz und Hyperinsulinämie. Der Nachweis erhöhter DHEA- und/oder DHEA-S-Spiegel ist ein klarer Hinweis auf eine adrenale Ursache von Androgenisierungserscheinungen (DD: adrenale Hyperplasie / adrenaler Tumor). Eine Diagnosebestätigung ist
mit Hilfe eines Dexamethason-Hemmtests möglich. Bei erhöhter Testosteron und erhöhter DHEA-S-Konzentration sollte auch eine adrenogenitales Syndrom ("late onset AGS") ausgeschlossen werden. Der zugrundeliegende Enzymdefekt bedingt eine unzureichende Umwandlung von 17-OH-Progesteron in Cortisol. 17-OH-Progesteron reichert sich im Serum an und kann daraus bestimmt werden.
Hyperprolaktinämische Ovarialinsuffizienz. Infertilität, Amenorrhoe, Zyklusstörungen und Galaktorrhoe sind die wichtigsten Indikationen zur Prolaktin-Bestimmung. Hohe Prolaktinspiegel hemmen die Sekretion von LH und FSH und setzen die Sensitivität der Gonaden gegenüber LH/FSH-Stimulationen oft bis zur vollständigen Resistenz herab, so daß es zur Amenorrhoe kommt. Bei 20% der hyperprolaktinämischen Frauen findet sich radiologisch ein Prolaktinom. Es können jedoch auch andere Hypophysentumoren mit erhöhten Prolaktin-Spiegeln einhergehen. Funktionelle Erhöhungen finden sich bei Hypothyreose und indirekt bei Hyperandrogenämie.

Diagnostik von Zyklusstörungen

Fragestellung Diagnostik
Prüfung der endogenen Östrogenproduktion FSH, LH, Östradiol, Gestagentest (=Provokation einer Entzugsbutung)
Follikelreifungsstörung Östradiol, LH, FSH, Progesteron
Gelbkörperfunktionsstörung Progesteron mehrfach, Prolaktin, Aufwachtemperatur
Hypothalamus- Hypophysenfunktionsstörung Prolaktin, LH, FSH, GnRH-Test, TRH-Test
Zyklusstörungen duch Hyperprolaktinämie Prolaktin, Röntgen Sella
Zyklusstörungen Hypo-/oder Hyperthyreose fT3, fT4, TSH basal und nach TRH
Zyklusstörungen durch Hyperandrogenämie (Hirsutismus, Alopezie, PCO-Syndrom) Testosteron, DHEAS, Androstendion, SHGB, ACTH-Test, Dexamethasonhemmtest, 17-OH-Progesteron

Da die Hormonkonzentrationen starken zyklusabhängigen Schwankungen unterliegen, ist eine zuverlässige Beurteilung nur bei Kenntnis der Zyklusphase und der Anamnese möglich (Merke: Zyklustagangabe und klinische Angaben bei Serumabnahme).

Hinweis für den kassenärztlichen Bereich: Laboruntersuchungen im Zusammenhang mit der Diagnostik und Therapie von Fertilitätsstörungen unterliegen nicht der Budgetierung. Voraussetzung ist der Eintrag der Kennziffer 32013 auf dem Untersuchungsauftrag.