Autoimmundiagnostik des Diabetes mellitus

• Nach heutigem Stand des Wissens handelt es sich bei dem Typ 1 Diabetes um einen Autoimmunprozeß,
der zu einer selektiven Zerstörung der insulinproduzierenden B-Zellen der Bauchspeicheldrüse führt.
• Das pathomorphologische Korrelat stellt die Insulitis dar, wobei autoreaktive T-Zellen gegen körpereigene
Antigene der Inselzellen wie z. B. Insulin, GAD65 und GAD67 (s.u.) eine entscheidende Rolle spielen.
• Als Ursachen für die Initiierung der Autoimmunprozesse werden u.a. genetische Faktoren (HLA DR3 und DR
4), virale Infekte und eine gestörte T-Zellsuppressorfunktion diskutiert.
• Neben der zellvermittelten Autoimmunität, die letztlich zur Zerstörung der B-Zellen des Pankreas führt, fin-
den sich beim Typ 1 Diabetiker Autoantikörper, denen weniger eine Rolle in der Ätiologie als vielmehr eine
wichtige Markerfunktion für das Autoimmungeschehen zugeschrieben wird. Die wichtigsten Autoantikörper
beim Typ 1 Diabetes sind:
o Zytoplasmatische Inselzellantikörper (ICA): ICA kommen bei 50-80% der neu entdeckten Typ 1-
Diabetiker, bei 10% der Patienten mit Gestations-Diabetes und 2-6% der Verwandten 1. Grades von Typ
1-Diabetikern vor (gegenüber 0,2-3,5% der Gesunden). ICA werden bereits bis zu mehreren Jahren vor
Manifestation des Diabetes beobachtet. Je höher der Insellzellantikörper-Titer ist und je jünger die Patien-
ten sind, desto größer ist das Diabetes -Risiko.
o Insulin-Antikörper (IAA):
20-100% der neu entdeckten Typ 1-Diabetiker weisen Insulinantikörper auf. Im Gegensatz zu Inselzell-
antikörper ist das Auftreten der Insulinantikörper stark altersabhängig: 100% der diabetischen Kinder un-
ter 5 Jahren, aber nur etwa 20% der Erwachsenen Typ 1-Diabetiker sind bei Manifestation IAA positiv. In
mehreren Studien konnte gezeigt werden, daß das Auftreten von IAA das Diabetesrisiko bei Verwandten
1. Grades der Diabetiker deutlich erhöht: 37% der Personen mit beiden Antikörpern (IAA positiv/ICA posi-
tiv) entwickelten innerhalb der Nachbeobachtung einen manifesten Typ 1-Diabetes im Gegensatz zu
14% (ICA positiv/IAA negativ) bzw. 16% (ICA negativ/IAA positiv) mit nur einem positiven Autoantikörper.
o GAD Antikörper. GAD (Glutamic Acid Decarboxylase) kommt beim Menschen in 2 Isoformen vor:
GAD 65 (Molekulargewicht 65000) und GAD 67 (MW 67000 Dalton). Während in Neuronen beide
Isoformen nachweisbar sind, findet sich in den Inselzellen des humanen Pankreas nur GAD 65.
GAD 65 Antikörper findet man in etwa 70-80% aller neu erkrankten Typ 1 Diabetiker und zu 5-13% bei
Verwandten 1. Grades. GAD 65 Antikörper lassen sich wie ICA oft bereits Monate bis Jahre vor der Mani-
festation eines Typ 1 Diabetes nachweisen.
Typ 1 – Diabetiker weisen in der Mehrzahl der Fälle niedrigtitrige Antikörper gegen GAD auf, die in der
Regel nur gegen das 65 kD-Isoenzym gerichtet sind. Kommt es im weiteren Verlauf der Erkrankung zu
einer stärkeren Sensibilisierung mit höheren Antikörpertitern, die dann häufig auch gegen das 67 kD-
Isoenzym reagieren, so ist auch eine Blockade der Glutamat-Decarboxylase im Nervensystem möglich.
Die Folge ist eine verminderte Produktion des inhibitorischen Neurotransmitters, γ−Aminobuttersäure, die
zu einer Dauerinnervation der Alpha-Motoneurone und damit dem klinischen Bild des Stiff-Man-
Syndroms
führt.
Patienten mit klinischem Typ 2-Diabetes und positiven GAD-Antikörpern entwickeln häufiger eine Insulin-
bedürftigkeit als GAD-negative Patienten. Diese Patienten haben eine ausgeprägtere Hyperglykämie und
werden meist wesentlich früher insulinpflichtig. Möglichweise liegt bei diesen Patienten eine langsam
progrediente Form des Typ 1 Diabetes oder ein latenter autoimmuner Diabetes (LADA s.u.) vor. Der
GAD-Antikörpernachweis kann somit zur Abgrenzung dieser Patienten aus der Gruppe der Typ 2 Diabe-
tiker und als Indikator für eine frühzeitig einzuleitende Insulintherapie dienen.
o IA-2 Antikörper sind gegen ein Inselzellmembranprotein (ICA512, Tyrosinphospatase) gerichtet. Dieser
Autoantikörper ist positiv bei 60-70% der erstmanifestierten Typ 1 Diabetikern und bei 2-5% der Verwand-
ten 1. Grades. Von diesen entwickeln 65% innerhalb von 5 Jahren einen Diabetes mellitus. IA2 Antikör-
per und GAD-Antikörper treten selten zeitgleich auf, so daß sich die Antikörperbestimmungen ergänzen.

Indikationen für die Autoantikörperbestimmung:
• Frühdiagnostik des Typ I-Diabetes
• Risikobewertung bei allen Verwandten 1. Grades von manifesten Typ I-Diabetikern
• Zur Prognose der Insulinbedürftigkeit bei Typ II- Diabetikern; Abgrenzung gegenüber LADA (Late
Autoimmun Diabetes Mellitus in Adults)
• Bei Patientinnen mit Gestations-Diabetes und deren Kindern

Untersuchungsmaterial:
• HLA DR3/DR4: EDTA-Blut, 2 ml
• Inselzellantikörper: Serum, 0,5 ml
• GAD-Antikörper: Serum, 0,5 ml
• IA2-Antikörper: Serum, 0,5 ml
• Insulin-Antikörper: Serum, 0,5 ml